Intensiver Gemüsefond mit Power
Einen Gemüsefond herzustellen, der Kraft und geschmackliche Tiefe hat, ist alles andere als einfach. Einen aromatischen Fleischfond herzustellen bringt einen gewissen Aufwand mit sich, ist aber nicht wirklich eine große Kunst. In Fleisch und Knochen steckt eine enorme Menge Aroma, das bei richtiger Behandlung fast automatisch einen fein-würzigen bis kräftig-würzigen Fond hervor bringt.
Jetzt geht es aber darum einen Gemüse-Fond herzustellen, der über vergleichbare Attribute verfügt wie ein Fleischfond: Würzigkeit, geschmackliche Tiefe und Ausgewogenheit. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen wir ein wenig in die Tiefen von Geschmack und Aromatik eintauchen:
Lange ging man davon aus, das es vier Geschmacksrichtungen gibt: Süß, Sauer, Salzig und Bitter. Im Jahr 1908 beschrieb der japanische Forscher Ikeda Kikunae erstmals den Geschmack Umami, der als „fleischig“, „herzhaft“ und „wohlschmeckend“ bezeichnet wird und einen vollmundigen Geschmack hervorruft. Was ist nun die Ursache der Geschmacksrichtung Umami? Es ist die natürliche Aminosäure Glutaminsäue, die natürlich in hohen Konzentrationen in proteinhaltigen Lebensmitteln wie Fleisch und Käse vorkommt und einen natürlichen Geschmacksverstärker darstellt.
Die Geschmacksrichtung Umami ist nicht nur in der Lage bestimmte Geschmacksrichtungen erheblich zu verstärken, sondern auch Geschmacksfehler zu überdecken und zu korrigieren. Diese Eigenschaft ist für die Lebensmittelindustrie und insbesondere für die Hersteller von Convenience-Food von großer Bedeutung. Daher wird der künstliche Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat oder kurz Glutamat vielen Convenience-Produkten zugesetzt.
Künstliches Glutamat steht seit langem in der Kritik gesundheitsschädlich zu sein. Relativ bekannt ist das so genannte China-Restaurant-Syndrom: Kopf- und Gliederschmerzen nach dem Besuch eines China-Restaurants werden der Verwendung von Mononatriumglutamat, das eine klassische Zutat der chinesischen Küche ist, zugeschrieben. Bisher konnte dieser Zusammenhang jedoch nicht durch wissenschaftliche Studien bewiesen oder ausgeschlossen werden. Weitaus besorgniserregender ist die Vermutung, dass künstliches Glutamat die Blut-Gehirn-Schranke (Physiologische Barriere zwischen Blutkreislauf und zentralem Nervensystem im Gehirn) überwinden könnte und zu dauerhaften Schäden im Gehirn führen könnte. Also viele Gründe auf künstliches Glutamat, d.h. auf Mononatriumglutamat zu verzichten. Natürliche Glutaminsäue dagegen gelten als völlig unbedenklich, auch bei dem Verzehr in großen Mengen.
Quellen:
- Thomas A. Vierich, Thomas A. Vilgis (2012): Aroma – Die Kunst des Würzens, Stiftung Warentest, Berlin, ISBN 978-3-86851-049-2
- Thomas A. Vilgis (2010) Kochuniversität – Geschmack, Tre Torri-Verlag, Wiesbaden, ISBN 978-3-94164-122-8
- Hans-Dieter Belitz, Werner Grosch, Peter Schieberle (2007) Lehrbuch der Lebensmittelchemie, 6. Auflage, Springer-Verlag, ISBN 978-3-54073-201-3
- http://de.wikipedia.org/wiki/Blut-Hirn-Schranke
Zusammengefasst bedeutet das also: Fleisch bringt natürliche Glutaminsäure in einen Fleischfond und führt damit zu der, von vielen Menschen geschätzten Geschmacksrichtung Umami. Künstliche Glutaminsäure, also Mononatriumglutamat, scheidet bei den vermuteten Risiken völlig aus.
Nun gut, also müssen wir auf die Suche nach Lebensmitteln gehen, die Glutaminsäure in nennenswerten Konzentrationen enthalten, aber nicht tierischen Ursprungs sind. Selbstverständlich können wir uns auch da wieder auf Mutter Natur verlassen: Neben Käse – der für einen Gemüsefond und Veganer natürlich ungeeignet ist – enthalten Tomaten, Pilze, insbesondere Steinpilze und Shiitake-Pilze, Selleriesaat und Sojasauce relativ viel natürliche Glutaminsäure.
Jetzt fehlen nur noch Röstaromen, die wir durch scharfes Anbraten der Gemüse erreichen. Das Ansetzen eines Gemüsefonds ist im Vergleich zu einem Fleischfond sehr aufwändig. Es ist viel Gemüse zu putzen und zu schneiden. Das Gemüse sollte, um zusätzlichen Geschmack zu bekommen, mit deutlichen Bratspuren angebraten werden. Die Pilze sollten alleine angebraten werden. Die anderen Gemüse, die sich zum Anbraten eignen (Möhren, Knollensellerie, Fenchel und Petersilienwurzel) sollten auf drei Pfannen (Durchmesser 28 cm) aufgeteilt werden. Für das Anbraten der Pilze sind ca. 5 bis 10 Minuten zu rechnen, für die Gemüse ca. 15 bis 20 Minuten. Das bedeutet, das man bereits für das Anbraten der Gemüse ca. eine Stunde veranschlagen muss – darauf zu verzichten bringt eine deutliche Einbuße beim Aroma.
Der hohen geschmacklichen Dichte von Fleisch müssen wir beim Gemüsefond mit einer weiter gefächerten Fülle an Zutaten begegnen:
Zutaten:
600 g Möhren (ca. 2 kleine oder 1 großes Bund Möhren)
600 g Tomaten (ca. 6 mittlere Tomaten)
600 g Knollensellerie (ca. 1 mittlere Knollensellerie)
600 g Lauch (ca. 3 Stangen Lauch)
400 g Champignons, möglichst braune Champignons
250 g Fenchel (ca. 1 Knolle Fenchel)
250 g Petersilienwurzel (ca. 1 bis 4 Petersilienwurzeln)
6 g Puderzucker (ca. 2 TL)
500 ml trockenen Weißwein
6 l Wasser
300 g Zwiebeln (ca. 4 mittlere oder 3 groß Zwiebeln)
50 g getrocknete Tomaten
20 g getrocknete Steinpilze
20 g getrocknete Shiitake-Pilze
80 ml Olivenöl (8 EL)
16 g bunte Pfeffermischung (ca. 5 TL) (schwarzer und weißer Pfeffer und rosa Beeren im Verhältnis 1:1:2)
4 g Selleriesaat (ca. 1 TL)
2 g Lorbeerblatt (ca. 2 große oder 3 mittlere Blätter)
2 g Piment (ca. 18 Stück)
2 g Wacholderbeeren (ca. 22 Stück)
10 g frischen Ingwer
20 g frischen Knoblauch (ca. 3 große oder 6 mittlere Zehen)
2 Stück Thai-Chilis
80 ml Sojasauce (ca. 8 EL)
Zubereitung:
(1) Gemüse vorbereiten: Die Möhren schälen und Wurzel und Grünansatz abschneiden. Die Möhren halbieren und in feine Scheiben schneiden (Ich halbiere die Möhren, weil die halben Möhrenscheiben nicht wegrollen). Die Tomaten halbieren, den Strunkansatz herausschneiden und anschließend die Tomaten achteln. Knollensellerie halbieren, die Hälften schälen und in ca. 0,5 cm dünne Scheiben schneiden. Die Scheiben in Streifen und dann in Würfel schneiden. Den Lauch nach dem gründlichen Waschen in feine Streifen/Ringe schneiden. Die Champignons trocken säubern und je nach Größe vierteln, sechsteln oder achteln. Die Blattansätze und das Grün (grüner Teil) vom Fenchel abschneiden. Das Fenchelgrün abzupfen und die Stängel in Scheiben schneiden. Die Fenchelknolle halbieren und in feine Streifen schneiden. Die Petersilienwurzeln schälen und halbieren. Je nach Größe und Dicke die Petersilienwurzelhälften in feine Scheiben schneiden. Bei größeren Petersilienwurzeln aus den Hälften zunächst Scheiben, dann ggf. Stifte und anschließend Würfel schneiden. Die Gemüse sollten relativ klein geschnitten werden, so dass sie möglichst viel Oberfläche haben. Das bringt beim Anbraten mehr Röstaromen und erleichtert das Übergehen des Geschmacks in den Fondansatz.
(2) Den Puderzucker in einen großen Topf ohne Fett geben und bernsteinfarben karamellisieren lassen. Mit dem Weißwein ablöschen und den Weißwein auf ca. 1/4 der ursprünglichen Menge einreduzieren.
(3) Das Wasser zu der Wein-/Puderzucker-Mischung geben, die Trockenpilze und getrockneten Tomaten in feine Streifen schneiden und gemeinsam mit dem geschnittenen Lauch hinzufügen.
(4) Von den Zwiebeln alle losen Schalen und die Wurzeln entfernen, aber die Zwiebel nicht schälen. Die Zwiebeln quer halbieren. Die Zwiebeln werden auf der Schnittfläche schwarz angeröstet. Dazu entweder eine Edelstahlpfanne mit Backpapier auslegen oder das Backpapier direkt auf die Herdplatte legen und die Zwiebeln mit der Anschnittfläche darauf setzen. Die Herdplatte auf volle Leistung stellen und die Zwiebelanschnitte schwarz rösten. Unbedingt dabei bleiben! Wenn das Backpapier dunkelbraun und brüchig wird, das Backpapier austauschen und die Zwiebeln auf einem neuen Backpapier weiter schwarz rösten. Die Röstaromen geben Geschmack und die Zwiebelschalen Farbe. Die fertig gerösteten Zwiebeln zu dem Fondansatz geben.
(5) Möhren, Knollensellerie, Petersilienwurzel und Fenchel in etwa drei gleich große Portionen aufteilen und nacheinander in einer Pfanne (28 cm Durchmesser) mit jeweils zwei Esslöffel (20 ml) Olivenöl scharf mit Farbe anbraten. Es dauert ca. 15 bis 20 Minuten bis eine Portion Gemüse braune Bratspuren aufweist, die auf Grund der Röstaromen wichtig für den Geschmack des Fond sind. Ja, es ist relativ viel Olivenöl, aber unser Fondansatz enthält bisher überhaupt kein Fett. 80 ml Olivenöl auf 6 Liter Fond sind dann doch verhältnismäßig wenig Öl.
(6) Die Champignons in zwei Esslöffel (20 ml) Olivenöl scharf anbraten bis sie anfangen zu „schwitzen“, d.h. Wasser abzugeben. Je nach Hitze, Beschaffenheit der Champignons und Füllmenge in der Pfanne dauert das 3 bis 10 Minuten. Es ist auch möglich, dass die Champignons gar kein Wasser abgeben. In diesem Fall den Bratvorgang beenden, wenn die Champignons deutliche braune Bratspuren aufweisen.
(7) Die Tomatenspalten, das angebratenen Gemüse und die angebratenen Champignons zu dem Fondansatz hinzufügen. Den Fondansatz zum Kochen bringen und für 30 Minuten sanft vor sich hin kochen lassen.
(8) Die Gewürze, bis auf die Sojasauce abwiegen/abmessen und ggf. in ein Gewürzsieb geben. Nach Ablauf der 30minütigen Kochzeit die Gewürze hinzufügen und den Fond für weitere 30 Minuten sanft Kochen lassen.
(9) Am Ende der Kochzeit den Fond abpassieren. Die groben Trübstoffe können dadurch entfernt werden, dass der Fond heiß durch ein sehr feines Haarsieb gegossen wird. Den fertigen Fond abmessen und mit Wasser auf 6 Liter auffüllen und die Sojasauce hinzufügen. Ihr braucht keine Sorge haben Euren Fond zu „verwässern“. Die Zutatenmengen sind so ausgelegt, dass die darin enthaltenen Aromen prinzipiell sogar auch für etwas mehr Wasser ausreichen würden.
Das Ergebnis ist ein Gemüsefond mit einem aromatischen Geschmack, der im Vergleich mit gekauftem Fond nicht klar, sondern trüb ist. Für die meisten Verwendungszwecke stören die Trübstoffe nicht und müssen daher auch nicht entfernt werden. Lediglich wenn der Fond für eine Consommé verwendet werden soll, müsste er noch geklärt werden. Das Klären von Fonds beschreibe ich demnächst einmal in einem gesonderten Artikel.
Der Fond hält sich im Kühlschrank maximal eine Woche. Wenn Ihr Fond auf Vorrat herstellt, was sich anbietet, dann müsst Ihr ihn konservieren (vgl. Tipps unten)
Tipps:
Um den Fond zu konservieren gibt es zwei Möglichkeiten, die ich persönlich beide parallel anwende: Einfrieren oder Einkochen.
Fond einfrieren:
Selbstverständlich lässt sich Fond auch prima einfrieren. Ich friere Fond für kleinere Mengen in Muffin-Förmchen aus Silikon ein. Wenn der Fond durchgefroren ist, kann man ihn aus den Muffin-Förmchen lösen und in einen Gefrierbeutel geben. Meine Muffin-Förmchen fassen ca. 70 ml. So habe ich Fond in kleinen Mengen greifbar und kann an Gerichte ein oder zwei Stück geben. Wenn Ihr mal vergessen habt, den Fond rechtzeitig aufzutauen, geht das in einem Topf verhältnismäßig schnell.
Weil häufig die Gefrierkapazitäten beschränkt sind, bietet es sich an die größeren Mengen an Fond einzukochen. Wie Ihr das am besten macht, beschreibe ich jetzt:
Fond einkochen:
(1) Saubere Gläser oder Flaschen und die zugehörigen Twist-Off-Deckel mit sehr heißem Wasser ohne Spülmittel abspülen und abtropfen lassen. Ich verwende hier gerne die Gläser von gekauftem Fond – so habe ich Fond in 400 ml-Einheiten zur Verfügung.
(2) Den Fond nochmals sprudelnd aufkochen lassen. Einen Küchenlappen vierfach falten, tropfnass machen und in die Spüle legen. Ein Glas oder eine Flasche auf den Lappen stellen und mit dem kochend heißen Fond füllen. Das Glas oder die Flasche nicht komplett füllen, sondern einen Rand von ca. 1,5 bis 2 cm frei lassen. Das Glas kommt auf den nassen Lappen, damit es beim Befüllen nicht springt. Das Füllen in der Spüle mache ich aus Sicherheitsgründen, weil in seltenen Fällen ein Glas trotz nassem Lappen springen kann. In der Spüle halten sich die Folgen dann in Grenzen.
(3) Den passenden Twist-Off-Deckel fest aufschrauben. Das heiße Glas oder die heiße Flasche lässt sich gut mit einem zweiten, ebenfalls feuchten Küchenlappen anfassen.
(4) Die Fettpfanne (das ist das tiefe Backblech) in die unterste Schiene des Backofens schieben. Die Gläser und Flaschen mit einem Abstand von ca. 2 cm zueinander in die Fettpfanne stellen. In die Fettpfanne ca. 2 cm hoch Wasser einfüllen.
(5) Den Fond bei 150 °C Umluft für 60 Minuten einkochen. Die Einkochzeit beginnt allerdings erst dann, wenn der Ofen auf der eingestellten Temperatur ist.
(6) Nach der Einkochzeit den Ofen ausschalten und die Gläser/Flaschen für 15 Minuten im Ofen belassen. Danach aus dem Ofen nehmen und bei Zimmertemperatur erkalten lassen.
Wenn Ihr hochwertige und frische Zutaten verwendet habt und sauber und hygienisch gearbeitet habt, dann hält sich der Fond mindestens 12 Monate oder länger. Ich habe auch schon mal einen selbst eingekochten, sechs Jahre alten Fond verwendet – er hatte zwar etwas an Aroma verloren, war aber noch vollkommen OK.
Immer wenn Ihr einen selbst eingekochten Fond öffnet, sollte der Twist-Off-Deckel das typische „Plopp“-Geräusch von sich geben.
Ist das nicht der Fall, erst einmal am Fond riechen – bei ungewöhnlichem Geruch schüttet ihn weg. Wenn der Fond OK riecht, eine kleine Menge probieren – schmeckt der Fond sauer oder schlecht, schüttet ihn weg. Wenn der Fond wie üblich riecht und schmeckt, könnt Ihr ihn verwenden.
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