Küchenhandwerk: Kalbsfuß entbeinen
Einen Kalbsfuß entbeinen? Wozu? Was kann ich denn eigentlich mit einem Kalbsfuß anfangen? Die Bedeutung von Kalbsfüßen in der Küche hat abgenommen, aber eine wichtige Grundsauce in der feinen Küche ist die Demi-glace, die auch gerne als die Königin der Saucen bezeichnet wird und als wichtige Zutat unter anderem auch Kalbsfuß enthält. Kalbsfüße können zudem zum Gelieren von Sülzen verwendet werden.
In der traditionellen, französischen Küche, aus der auch die Demi-glace stammt, wurden lange Saucen geschätzt, die einen nennenswerten Anteil an Gelatine aufwiesen – jetzt nicht durch das Zufügen von Gelatine, sondern durch das Kochen mit Zutaten, die Gelatine oder genauer genommen das Vorprodukt von Gelatine, das Kollagen, enthalten. Derartige Saucen hinterlassen auf den Lippen ein leicht klebriges Gefühl, sind aber sehr geschmacksintensiv. Solche Saucen zu kochen ist recht aufwändig und zeitintensiv und leider etwas aus der Mode gekommen. Probiert es aus und wundert Euch nicht, wenn Eure Gäste die Teller abschlecken und am liebsten die Sauce löffeln würden…
Der Kalbsfuß ist reich an Bindegewebe, das aus kollagenen und elastischen Fasern besteht. Damit das Ganze nicht so einfach wird, wird das Kollagen noch in die Typen I, II, III und IV unterschieden. Wir wollen an dieser Stelle nicht zu weit in die Thematik Kollagen eintauchen, Ihr solltet aber zumindest die Funktion und Wirkung in der Küche kennen.
Kollagen der Typen I und III kommt primär in Sehnen, Bändern und der Haut vor, die beim Kalbsfuß einen wesentlichen Teil ausmachen. Der Kollagen-Typ II dagegen findet sich vornehmlich im Knorpel, der in den Gelenken des Kalbsfuß vorkommt. Kollagenhaltige Lebensmittel sind also alle Lebensmittel, die einen hohen Anteil an Sehnen, Bändern, Haut und Knorpel enthalten.
Kollagen ist der wesentliche Bestandteil von Gelatine. Durch langes Kochen wird das Kollagen aus den kollagenhaltigen oder eben bindegewebshaltigen Produkten gelöst. Das führt dazu, dass beispielsweise ein Fond, der mit Knochen aus der Wirbelsäule gekocht wird, geliert. Zwischen den einzelnen Wirbeln der Wirbelsäule sind Knorpel, die Bandscheiben, enthalten, durch die das Kollagen in den Fond kommt. Während die Knorpel zwischen den Wirbeln im rohen Zustand zäh sind, sind sie nach einem Kochprozess von drei bis vier Stunden weich, gallertartig und lösen sich von den Wirbeln.
Das Wort Kollagen oder Collagen ist dem griechischen entlehnt und bedeutet in etwa „Leim erzeugend“. Früher hat das Tischlerhandwerk so genannten Knochenleim zum Verleimen von Holz verwendet, der durch das Auskochen von Schlachtabfällen mit einem hohen Anteil an Haut, Sehnen, Knorpeln und Knochen gewonnen wurde.
Die grundsätzlichen Informationen zu dem Zusammenhang Bindegewebe, Kollagen und Gelatine sind mir zwar geläufig, aber für die Details habe ich das Internet befragt, um Euch einen verdichteten Überblick über die Thematik zu geben.
Einen Kalbsfuß könnt Ihr auf Vorbestellung bei jedem guten Metzger bekommen. Er wiegt ca. 1.400 bis ca. 1.700 g.
Entbeinen des Kalbsfuß:
Tipp: Hilfreich ist beim Entbeinen ein so genanntes Entbeinmesser, das eine starre, kurze, spitze und nicht besonders breite Klinge hat. Sowohl die Klingenform, wie auch die geringe Klingenbreite macht das Messer besonders geeignet zum Arbeiten an Stellen, wo zwischen Knochen und Fleisch nur wenig Platz ist. Die robuste Klinge kann auch mit etwas Kraft eingesetzt werden.
(1) Auf der Rückseite des Kalbsfußes längs einen Schnitt vom Sprunggelenk [1] (Hinterbein) bzw. Vorderkniegelenk [1] (Vorderbein) entlang des Schienbeinknochens [5] bis zum Fesselgelenk [2] führen. Von dort weiter zwischen den beiden Afterkrallen [3] bis zu den Klauen [4] schneiden. Von den Klauen bis auf das Fesselgelenk kann komplett durchgeschnitten werden. Der Schienbeinknochen [5], der mit dem Sprung-/Vorderkniegelenk [1] beginnt und mit dem Fesselgelenk endet liegt hier noch unter der Haut und dem Gewebe verborgen.
(2) Dicht am Schienbeinknochen entlang das Gewebe vom Knochen lösen. Hierbei sollte so wenig wie möglich von dem Gewebe am Knochen verbleiben. Am Fesselgelenk [2] alle Sehnen durchtrennen, um den Schienbeinknochen [5] komplett auszulösen und herausnehmen zu können.
(3) Die gesamte Klaue [6] besteht aus drei knöchernen Teilen (Fesselbein, Kronbein und Klauenbein[4]), die mit zwei Gelenken (Krongelenk und Klauengelenk) miteinander verbunden sind. Auf Grund der etwas unregelmäßigeren Struktur ist hier das Auslösen etwas schwieriger. Haltet Euch aber auch hier einfach an die Knochen und schneidet entlang der Knochen. Die einzelnen Knochen der Klaue brauchen nicht an den Gelenken geteilt werden. Mit der zweiten Klaue wird in gleicher Weise verfahren.
Hintergrundwissen: Die gesamte Knochen- und Gelenkstruktur des Kalbsfuß beginnt mit dem Sprung-/Vorderkniegelenk [1] und setzt sich mit dem Schienbeinknochen [5] fort, um in das Fesselgelenk [2] zu münden. Vom Sprunggelenk wird bei den Hinterbeinen und vom Vorderkniegelenk bei den Vorderbeinen gesprochen. Ab dem Fesselgelenk [2] teilt sich der Kalbsfuß in die beiden Klauen mit ihren Knochen und Gelenken [6] auf, die beide über den gleichen Aufbau verfügen. An das Fesselgelenk [2] schließt sich das Fesselbein (Knochen), das Kronengelenk, das Kronenbein (Knochen), das Klauengelenk an, um schließlich in das Klauenbein [4] zu münden.
(4) Nachdem beide Klauen entfernt sind, ist der Kalbsfuß bis auf die Afterklauen [3] entbeint. Um die Afterklauen heraus zu schneiden, den fast komplett entbeinten Kalbsfuß umdrehen, so dass die Hautseite nach oben zeigt. Oben und unten befinden sich die beiden Afterklauen [3], die jetzt noch herausgeschnitten werden.
Tja, und das war es bereits! Jetzt habt Ihr einen Kalbsfuß entbeint und könnt die Knochen und das Gewebe mit der Haut entsprechend Eures Rezeptes weiter verarbeiten.
Ein Rezept, in dem ich einen entbeinten Kalbsfuß verwendet habe ist: „Boeuf á la bourguignonne – Rindfleisch nach Burgunder Art nach Paul Bocuse“. Demnächst werde ich, gemeinsam mit Euch eine Demi-glace kochen. Demi-glace ist die konzentrierte französische Grundsauce, die eigentlich kaum eine Sauce, sondern eher ein Saucenkonzentrat ist.
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