Kochen nach historischen Kochbüchern: Pullus Vardanus nach Marcus Gavius Apicius – Verdanisches Huhn aus dem Römertopf mit weißer Sauce

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Kochen wie die alten Römer – wie kommt man denn auf so eine Idee? Darauf bin ich nicht selber gekommen, sondern Petra Hammerstein vom Blog „Der Mut Anderer.de“ hat eine wunderbare Idee anlässlich des fünften Geburtstages Ihres Blogs: Das Nachkochen von Rezepten aus historischen Kochbüchern. Dazu gibt Sie monatlich ein historisches Kochbuch vor. Für den August ist es das Kochbuch „De re Coquinaria“ („Über die Kochkunst“) von Marcus Gavius Apicius, der ca. 25 v. Chr. bis 42 n Chr. unter Kaiser Tiberius gelebt hat.

Das Kochbuch „De re Coquinaria“ von Apicius könnt Ihr unter dem Link http://www.imperiumromanum.com/kultur/kulinarium/kulinarium_rezepte_index.htm selbst einsehen und Euch selber nette historische Rezepte heraussuchen.

Das sozusagen „buchstabengetreue“ Nachkochen von Rezepten ist eigentlich überhaupt nicht mein Ding – ich entwickele meine Rezepte, teilweise ausgehend von einer Inspiration und teilweise durch Kombination von Zutaten und Aromen, selbst. Ein historisches Rezept nachkochen finde ich aber schon wieder spannend!

Nun gut, das Kapitel VII Polyteles (Der Gourmet) mit Gebärmutter von Jungsäuen, Schweineeuter, gefüllten Mägen, Nieren, Leber und Lunge will ich Euch mal ersparen – aber das nächste „Nose to tail“-Rezept kommt bestimmt. Obwohl, sollte ich irgendwann mal ZZZ-Promi werden, wäre es ja wohl eine tolle Vorbereitung auf den Dschungel?!?

Ich bin mal ein Kapitel zurück gewandert und habe im Kapitel VI Aeropetes (Geflügel) mich umgesehen. Also die beiden Rezepte für Flamingo haben mich doch gleich angesprochen – allerdings das Beschaffen der Zutat „1 rosa Flamingo“ stellte mich dann doch vor unlösbare Herausforderungen. Auch der Tipp dann einen Flamingo in einer anderen Farbe zu verwenden, minimierte meine Beschaffungsprobleme nicht im geringsten. Ich vermute, dass in dem Markt für – wie auch immer gefärbte – Flamingos einer immensen Nachfrage ein nur sehr überschaubares Angebot gegenüber steht.

Ich habe mich dann für das Rezept XII Pullus Verdanus (verdanisches Huhn) aus dem Kapittel VI Aeropetes (Geflügel), Unterkapitel IX für Huhn entschieden.

In den Tipps zum Nachkochen wird die Zubereitung im Römertopf empfohlen. Der verwendete Römertopf passt ganz gut zu dem historischen Rezept, da er von des Pfeifhäschens Großmutter – liebevoll vom Pfeifhäschen Omi-Schätzchen genannt, die leider nicht mehr unter uns weilt, stammt.

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Zutaten für zwei bis vier Portionen:

1 Stück Huhn, ca. 1,5 kg
4 g feines Meersalz
125 ml trockenen Weißwein (wir haben einen Frascati Superiore verwendet)
125 ml Geflügelfond
20 ml Olivenöl (ca. 2 EL)
10 ml Liquamen/Garum – ersatzweise asiatische Fischsauce
9 g Knoblauch (ca. 2 Zehen) (nicht im Original-Rezept enthalten!)
10 g frisches Bohnenkraut mit Stängeln, alternativ 2 g getrocknetes Bohnenkraut (ca. 2 EL)
10 g frischen Koriander mit Stängeln, alternativ 10 g gehackten Koriander aus dem Glas (ca. 1 gehäufter TL)
1 Stück    mittelgroße Lauchstange (Porree), nur den oberen, grünen Teil

Liquamen, auch bekannt unter dem Begriff Garum, war DIE römische Würzsauce, die in nahezu allen deftigen römischen Gerichten als Basiswürzung Verwendung findet. Sie entspricht in Herstellung und im Geschmack der asiatischen Fischsauce, die als Ersatz verwendet werden kann. Hintergrundinformationen zu Garum/Liquamen und Fischsauce findet Ihr in unseren verlinkten Glossar-Beiträgen.

Zutaten für die weiße Sauce:

2 Stück Eier, Größe M
25 g Pinienkerne (ca. 2 stark gehäufte EL) abpassierter Sud vom Garen des Hähnchens
50 ml Milch
0,5 g frisch gemahlenen weißen Pfeffer
etwas Honig (nur sehr wenig zum Abrunden des Geschmacks der Sauce)
8 g Speisestärke zum Binden

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Zubereitung:

(1) Den Römertopf für ca. eine Stunde in kaltem, klarem Wasser wässern. Ihr könnt den Römertopf aber auch schon am Vorabend in das Wasser stellen und über Nacht wässern lassen.

(2) Den Wein, den Geflügelfond, das Olivenöl und das Liquamen/Garum bzw. die Fischsauce in die Unterschale des Römertopfes geben. Wenn Ihr getrocknetes Bohnenkraut und/oder Koriander aus dem Glas verwendet, dann fügt diese Zutaten jetzt mit hinzu.

(3) Ich habe mir eine kleine kulinarische Freiheit erlaubt – Apicius möge mir verzeihen – und noch zwei Knoblauchzehen in Scheiben hinzugefügt. Dazu den Knoblauch schälen, in feine Scheiben schneiden und zu dem Sud im Römertopf geben.

(4) Das Huhn oder das Hähnchen waschen und trocknen. Das Huhn mit dem feinen Meersalz von außen und innen würzen und mit der Brust nach unten in den Römertopf setzen.

(5) Den Lauch gut waschen und in große lange Stücke schneiden. Lauch, frisches Bohnenkraut mit Stielen und frischen Koriander mit Stielen rund um und unter das Hähnchen im Römertopf stecken. Frisches Bohnenkraut konnte ich leider nirgendwo bekommen. Das Bohnenkraut, das wir in unserem Garten gesät hatten und das sehr schön aufgegangen war wurde leider Opfer der Schnecken und zwar komplett – knapp über dem Boden ratzekahl abgefressen! Grrr! Ich habe getrocknetes Bohnenkraut und frischen Koriander verwendet.

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(6) Das Rost des Backofens auf die letzte oder vorletzte Schiene des Backofens schieben. Den gewässerten Deckel des Römertopfes aufsetzen und den Römertopf in den kalten (nicht vorgeheizten) Backofen auf das Rost stellen. Das Huhn im Römertopf 1,5 Stunden bei 220 °C Umluft garen. Die Zeit aber bitte erst messen, wenn der Ofen die Temperatur erreicht hat!
Ich habe ein knapp 1,6 kg schweres Maishähnchen verwendet, das nach 1,5 Stunden wunderbar gegart war. Wenn Euer Huhn deutlich kleiner ist, könnt Ihr die Garzeit um ca. 15 Minuten reduzieren.

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(7a) Während das Huhn im Ofen gart, können wir die Vorbereitung für die Sauce treffen: Die beiden Eier in einen Topf mit Wasser geben und zum Kochen bringen. Nachdem das Wasser kocht, die Eier ca. 8 Minuten bei milder Hitze hart kochen. Nach der Kochzeit habe ich die Eier noch für ca. 5 Minuten im warmen Wasser ziehen lassen. Natürlich könnt Ihr dafür auch Euren Eierkocher – wenn vorhanden – nutzen.

(7b) Während die Eier nachziehen habe ich mir eine zweite, kleine kulinarische Freiheit, die so nicht im Rezept steht, erlaubt und die Pinienkerne in einer beschichteten Pfanne ohne Fett leicht angeröstet. Die angerösteten Pinienkerne sofort nach dem Anrösten in den Mörser geben (sie würden in der heißen Pfanne verbrennen). Die Pinienkerne im Mörser mit dem Stößel fein zerreiben.

(7c) Die Eier habe ich zum Abkühlen in kaltes Wasser gegeben. Nachdem die Eier etwas abgekühlt sind, diese schälen und das Eiweiß vom Eigelb trennen. Das Eigelb wird nicht benötigt und kann anderweitig verwendet werden oder dient als kleine Stärkung für die Köchin/den Koch. Das Eiweiß, nach dem es fast vollständig ausgekühlt ist, fein schneiden/hacken. Je feiner Ihr das Eiweiß schneidet/hackt desto schöner wird hinterher die Sauce – hier braucht Ihr ein wenig Geduld, da es etwas dauert.

(7d) Die zerriebenen Pinienkerne und das fein gehackte Eiweiß in einen Topf geben. Ich habe dazu den Topf verwendet, in dem ich die Eier gekocht habe.

(8) Nach Ablauf der Garzeit den Römertopf aus dem Backofen nehmen und das Huhn vorsichtig aus dem Römertopf heben. Den Lauch, die Bohnenkraut- und Koriander-Zweige sowie die Knoblauchscheiben aus dem Sud entfernen. Den Sud in den Topf mit dem gehacktem Ei und den zerstoßenen Pinienkernen abgießen. Wenn Ihr getrocknetes Bohnenkraut und/oder gehackten Koriander aus dem Glas verwendet, habt solltet Ihr den Sud durch ein Haarsieb abpassieren.

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(9) Das Huhn umdrehen und mit der Brust nach oben vorsichtig in Unterschale des Römertopfes setzen und bei 250 °C Umluft ca. 10 Minuten bräunen und dabei die Haut knusprig werden lassen. Unbedingt den Bräunungsgrad des Huhnes ständig überwachen. Nachdem das Huhn gebräunt ist, die größte Hitze aus dem ausgestellten Backofen lassen und das Huhn im ausgeschalteten Backofen warm halten, bis die Sauce fertig ist und serviert werden kann.

Zubereitung der weißen Sauce:

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Diese Sauce ist der Hammer!!! Ich war ja sehr gespannt, wie diese Kombination schmecken würde. Aber bereits der Sud, in dem das Huhn gegart ist, schmeckte köstlich. Gehacktes, gekochtes Eiweiß und zerstoßene Pinienkerne sind in der modernen Küche kaum Zutaten, aus denen eine Sauce zubereitet wird. Der Geschmack ist ausgezeichnet und passt prima zu dem Huhn. Die Stückigkeit der Sauce durch das gehackte Ei und die zerstoßenen Pinienkerne ist allerdings etwas ungewohnt. Lest dazu den Tipp am Ende des Rezeptes.

(1) In dem Topf befinden sich ja bereits das fein gehackte Eiweiß, die zerstoßenen Pinienkerne und der abgegossene, ggf. passierte Sud vom Garen des Huhns im Römertopf. Dazu die Milch geben und alles zum Kochen bringen.

(2) Die Speisestärke mit etwas kaltem Wasser glatt rühren und gemeinsam mit dem frisch gemahlenen weißen Pfeffer zu dem Saucenansatz geben. Die Stärke abbinden lassen und die Sauce für ca. 2 Minuten leicht sprudelnd kochen lassen, um den Stärkegeschmack heraus zu kochen. Die Sauce mit ein wenig Honig (sehr wenig – vergleichbar mit der Prise Zucker) und ggf. mit zusätzlichem Salz und frisch gemahlenem weißen Pfeffer abschmecken. Die Römer kannten zwar Rohrzucker, haben aber Speisen vor allem mit Honig gesüßt. Der Honig steht nicht im Rezept des Apicius, sorgt aber für einen runderen und harmonischeren Geschmack der Sauce.

(3) Das Huhn gemeinsam mit der weißen Sauce im Ganzen oder portioniert servieren.

An Beilagen gab es bei den Römern Hülsenfrüchte wie Erbsen, Linsen und dicke Bohnen sowie Brot. Einige gedünstete Gemüse wie Lauch, Zucchini oder Gurken sowie teilweise Senffrüchte wurden ebenfalls als Beilagen gereicht. Reis war zwar bereits bekannt, aber sehr teuer und wurde eher als Reismehl zum Andicken von Speisen als als Beilage verwendet. Nudeln waren noch nicht erfunden und Zutaten wie Kartoffeln oder Tomaten waren der noch unentdeckten neuen Welt vorbehalten. Wir haben das Huhn mit der köstlichen Sauce und etwas Brot gegessen.

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Getränk:

Bei dem Getränk wollten wir natürlich dem römischen Hintergrund des Rezeptes ein wenig Rechnung tragen und haben uns für einen Frascati, einen italienischen Weißwein der Region Latium, der auf den vulkanischen Hängen der Campagna Romana in der Nähe von Rom angebaut wird, entschieden. Dieser gelb-grünliche fein-aromatische Wein passt – gut gekühlt – ausgezeichnet zu Geflügel. Wir haben einen Frascati Superiore mit 12 % vol. sowohl für das Gericht wie auch als begleitenden Wein zum Essen verwendet.

Tipp:

Wenn Euch die leichte Stückigkeit der Sauce mit dem gehacktem Ei und den zerstoßenen Pinienkernen sehr stört, könntet Ihr die Sauce mit einem Stabmixer fein mixen und ggf. noch durch ein Sieb passieren. Das weicht dann natürlich schon deutlich vom Originalrezept ab, da bei Römern Stabmixer wohl kaum zur Küchenausstattung gehörten – alleine mangelte es schon an der Steckdose. Wir haben das Gericht so gegessen, wie es wohl auch die Römer genossen haben.

Dies ist ein Beitrag für den Blogevent August – Apicius des Blogs „Der Mut Anderer.de“ von Petra Hammerstein.

Der Mut Anderer

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